1. Allgemeines
Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln), der sog. Mietendeckel, wurde am 30.01.2020 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen und ist am 23.02.2020 in Kraft getreten. Der Mietendeckel ist eine allgemeine Mietpreisbegrenzung für fünf Jahre.
Kern des Gesetzes ist die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten in Berlin, zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren. Von den Regelungen dieses Gesetzes ausgenommen sind Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, mit Mitteln aus öffentlichen Haushalten zur Modernisierung und Instandsetzung geförderte Wohnungen mit Mietpreisbindung, Wohnheime, Trägerwohnungen sowie alle ab Anfang 2014 erstmals bezugsfertigen Neubauten oder Wohnungen, die mit einem dem Neubau entsprechendem Aufwand aus dauerhaft unbewohnbarem Wohnraum wiederhergestellt wurden (bspw. in einer ehemaligen Bauruine).
Mit dem Mietendeckel werden die Mieten auf dem Stand des 18.06.2019 „eingefroren“. Dies gilt für alle Mietverträge, die bereits am Stichtag 18.06.2019 bestanden und am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes immer noch bestehen.
Für nach dem Stichtag geschlossene Mietverträge darf höchstens die Vormiete derselben Wohnung bzw. die niedrigere Mietobergrenze verlangt werden.
Ab dem Jahre 2022 werden Mietanpassungen von bis zu 1,3 % jährlich möglich sein.
Mit Inkrafttreten des Mietendeckels ist es grundsätzlich verboten, eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu fordern.
Zudem haben Vermietende haben den Mietenden innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes und vor Abschluss eines neuen Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die maßgeblichen Umstände zur Berechnung der Mietobergrenze zu erteilen.
Ferner wird neun Monate nach Inkrafttreten ein Verbot überhöhter Mieten wirksam. Das Gesetz legt fest, dass eine überhöhte Miete verboten ist. Dieses Verbot gilt neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes. Als überhöht gelten Mieten, die um mehr als 20 % über der unter Berücksichtigung der Wohnlage zulässigen Mietobergrenze liegen.
Bestimmte Modernisierungen und deren Umlage auf die Miete sind grundsätzlich erlaubt, wenn sich hierdurch die Miete nicht um mehr als 1,00 € pro Quadratmeter erhöht. Die Grenze gilt auch im Falle mehrfacher Modernisierungen im Geltungszeitraum des Gesetzes.
2. Mietenstopp bei Bestandsmietverhältnissen
In Mietverhältnissen, welche am Stichtag 18.06.2019 bereits bestanden und am 23.02.2020 (Tag des Inkrafttretens des Gesetzes) immer noch fortbestehen, wird die Miete auf dem Stand des 18.06.2019 eingefroren.
Wenn zwischen dem Stichtag und dem 23.02.2020 ein Wechsel der Mietenden stattgefunden hat, wird die in dieser Zeit vereinbarte Miete eingefroren.
Es ist in beiden Fällen per Gesetz verboten, eine höhere Miete zu nehmen.
Dieses Verbot gilt auch bei Staffel- oder Indexmieten, welche ebenfalls auf dem Stand des 18.06.2019 eingefroren werden.
3. Mietdeckelung bei Neumietverhältnissen
Wenn Wohnraum ab dem 23.02.2020 wiedervermietet wird, ist es per Gesetz verboten, eine höhere als die eingefrorene Miete zu nehmen.
Liegt die eingefrorene Miete bereits oberhalb der für die Wohnung maßgeblichen Mietobergrenze, darf die Vermietung nur zur Mietobergrenze erfolgen. Die Mietobergrenze ist der entsprechenden Mietentabelle zu entnehmen. Die Mietentabelle legt fest, wie hoch die Nettokaltmiete in Abhängigkeit von Alter und Ausstattung einer Wohnung bei einer Wiedervermietung sein darf:
Die Werte der Mietentabelle erhöhen sich für Wohnungen mit moderner Ausstattung um 1,00 Euro. Eine moderne Ausstattung liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Merkmale vorhanden sind: Schwellenlos erreichbarer Aufzug, Einbauküche, hochwertige Sanitärausstattung, hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume, Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m² a).
4. Mietsenkung in Bestandsmietverhältnissen
Neun Monate nach der Verkündung des Gesetzes ist auch in Bestandsmietverhältnissen eine überhöhte Miete verboten.
Eine Miete ist überhöht, wenn sie unter Berücksichtigung der Wohnlage mehr als 20 % über der maßgeblichen Mietobergrenze in der Mietentabelle liegt. Eine höhere Miete als diese ist verboten.
Für Wohnungen in einfacher Wohnlage ist bei der Berechnung der Mietobergrenze ein Abschlag beim maßgeblichen Mietpreis in der Mietentabelle von 0,28 Euro zu berücksichtigen, für Wohnungen in mittlerer Wohnlage werden 0,09 Euro abgezogen und für Wohnungen in guter Wohnlage ist ein Zuschlag von 0,74 Euro zu berücksichtigen. Die adressgenaue Lageeinordnung der jeweiligen Wohnung ist dem Straßenverzeichnis des aktuellen Mietspiegels 2019 zu entnehmen.
Demzufolge ist die zulässige Mietobergrenze für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus wie folgt zu ermitteln: Tabellenwert gemäß Baualter + ggf. 1,00 Euro für moderne Ausstattung + ggf. Modernisierung +/- Lage zzgl. 20 % (der Summe aus Tabellenwert und Zu-/Abschlägen).
Diese Grenze gilt gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 MietenWoG Bln auch im Falle mehrfacher Modernisierungen im Geltungszeitraum des Gesetzes.
5. Mitteilungspflicht der Vermietenden
Vermietende haben den Mietenden bis zum 23.04.2020 (zwei Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes am 23.02.2020) und vor Abschluss eines neuen Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände zu erteilen.
Die Höhe der Stichtagsmiete am 18.06.2019 haben die Vermietenden den Mietenden auf Verlangen mitzuteilen.
Vor Vertragsabschluss müssen Vermietende den zukünftigen Mietenden beides unaufgefordert mitteilen.
6. Zulässige Mieterhöhungen
Ab dem 01.01.2022 kann die Miete um die Inflationsrate des Vorjahres, höchstens jedoch um 1,3 %, erhöht werden. Dies gilt nicht, wenn dadurch die Mietobergrenzen überschritten werden.
Mieterhöhungen wegen Modernisierung müssen bei der Investitionsbank Berlin (IBB) angezeigt werden und können in den vom Gesetz begünstigten Fällen bis max. 1,00 Euro/m² auf die Miete umgelegt werden.
7. Härteausgleich
Bei wirtschaftlichen Härtefällen von Vermieterinnen und Vermietern kann die Investitionsbank Berlin (IBB) zur Vermeidung einer unbilligen Härte auf Antrag eine höhere als die nach dem MietenWoG Bln zulässige Miete bzw. Mieterhöhungen genehmigen, sofern dies zur Vermeidung einer Substanzgefährdung und von dauerhaften Verlusten zwingend erforderlich ist. Die genehmigten Mieten oberhalb der Mietoberwerte werden durch einen Mietzuschuss abgefedert. Der Mietzuschuss darf höchstens dem die Mietobergrenze überschreitenden Betrag entsprechen.
8. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Pflichten
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen überwacht die Einhaltung der Verbote, d. h. sie kann von Amts wegen bei Kenntnis eines Vergehens dagegen vorgehen. Mietende können Verstöße durch die Vermietenden gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes beim bezirklichen Wohnungsamt anzeigen.
Bei Verstößen gegen den Mietendeckel kann eine Geldbuße von bis zu 500.000,00 Euro verhängt werden.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat kürzlich mitgeteilt, aufgrund der Corona-Krise bei Verstößen gegen Melde- und Informationspflichten seitens der Vermietenden gemäß MietenWoG bis auf Weiteres auf Sanktionen zu verzichten.
9. Beachtung und Umgang mit den Regelungen des Mietendeckels
Mieter müssen ihre Rechte aus dem Mietendeckelgesetz nicht erst aktiv geltend machen, damit Vermieter in der Pflicht sind und durch Annahme höherer Mietzahlungen evtl. verbotswidrig handeln.
Trotz der bereits vielfach geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Mietendeckels und der zur Überprüfung bei den Verfassungsgerichten bereits anhängigen Verfahren sind sämtliche Regelungen des Gesetzes in Kraft und daher bis auf Weiteres auch von jedermann zu beachten.
Bei Verstößen können demzufolge sowohl Mieter zivilrechtliche Ansprüche geltend machen und auch Bußgelder gegen Vermieter verhängt werden.
Hiergegen können Vermieter sich ggf. vorübergehend mit dem Verweis auf Verfassungsmäßigkeitsbedenken wehren. Entsprechende Verfahren sollten dann bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes ausgesetzt werden.
Sollte das Gesetz verfassungswidrig sein, sind zivilrechtliche Ansprüche von Mietern im Ergebnis nicht begründet und ggf. verhängte Bußgelder rechtswidrig.
Sollte das Gesetz hingegen verfassungsgemäß sein, bestehen zum einen die zivilrechtlichen Ansprüche von Mietern (sodass dort auch entsprechende Kosten eines Rechtsstreits drohen), zum anderen sind Zuwiderhandlungen gegen die Verbote dann tatsächlich bußgeldbewehrt und entsprechende Bußgelder zu zahlen.
Daher besteht im Ergebnis trotz der Bedenken gegen seine Verfassungsmäßigkeit ein nicht unerhebliches Risiko bei Nichtbeachtung des Gesetzes. Vor diesem Hintergrund ist Vermietern momentan dringend anzuraten, die Regelungen des Gesetzes jedenfalls bis zu einer abschließenden Entscheidung über seine Verfassungsmäßigkeit zu befolgen.
Gleichzeitig sollten Vermieter versuchen, noch keine endgültigen Tatsachen zu schaffen, um im Falle der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht an ihr Verhalten in der „Schwebezeit“ gebunden zu sein. Ein möglicher Weg besteht darin, den Regelungen des MietenWoG Bln vorbehaltlich seiner Verfassungsmäßigkeit des MietenWoG Bln bis zu deren Klärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, in der Sache aber rechtsverbindlich nachzukommen, gleichzeitig aber zu erklären, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes alle Rechte vorzubehalten. Damit einher geht, dass vorläufig nur die maximal zulässigen Mieten entgegengenommen werden (bereits die Annahme höherer Mietzahlungen erfüllt den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit) und die Mieter auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechend informiert werden.
Dieser Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine Rechtsberatung. Im Einzelfall sollten Sie bei Fragen zu den konkreten Pflichten und Rechten, insbesondere zu der in einem Mietverhältnis zulässigen Miethöhe sowie zu Handlungsempfehlungen bis zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Mietendeckels, unbedingt rechtlichen Rat einholen. Bei Missachtung drohen Vermietern empfindliche Bußgelder. HEGEWERK Rechtsanwälte berät Sie gern!