Hilfe vom Anwalt nach Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB)

Alkohol im Straßenverkehr: Grenzen, Konsequenzen, Chancen

Alkohol am Steuer – oder präzise ausgedrückt: Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) – ist ein weit verbreitetes Delikt. Die Ursachen und Umstände, die im Einzelfall zu einer sog. Trunkenheitsfahrt führen, könnten unterschiedlicher kaum sein. In sehr vielen Fällen werden Autofahrer auf dem Nachhauseweg eines gesellschaftlichen Anlasses wie einer Geburtstagsfeier, Hochzeit oder dem Rückweg vom Konzert der Lieblingsband erwischt. Wer nach einer feuchtfröhlichen Weihnachtsfeier alkoholisiert mit dem Auto nachhause fährt und von der Polizei dabei ertappt wird, begeht zwar nicht zwingend eine Straftat, jedoch in den meisten Fällen mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Häufig ist der Führerschein in Gefahr.

HEGEWERK - Verteidigung nach Trunkenheut

Der Teufel steckt im Detail: Vermeintliche Kleinigkeiten während einer Verkehrskontrolle bzw. im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens entscheiden über die rechtliche Einordnung. Ungleich größer ist das Potenzial als Beschuldigter im Verlauf der Ermittlungen vermeidbare Fehler zu machen. Angesichts der drohenden Folgen, welche noch weit über die eigentlichen straf- und ordnungsrechtlichen Konsequenzen hinausgehen und quasi alle denkbaren Lebensbereiche betreffen, besteht die Tendenz zur frühen Kapitulation. Zu Unrecht, denn: Wo viele Fehler passieren, kann viel verteidigt werden!

Kostenübernahme durch Rechtsschutzversicherung

Was viele nicht wissen: Rechtsschutzversicherungen für Straf- oder Verkehrsrecht übernehmen auch die Kosten für die Verteidigung bei fahrlässigen Tatvorwürfen.

Das Wichtigste vorab

  • Äußern Sie sich nicht zum Tatvorwurf! Als Beschuldigter haben Sie ein Schweigerecht.
  • Verweigern Sie die Mitwirkung an einer Atemalkoholkontrolle. Hierzu besteht keine Pflicht!
  • Stimmen Sie einer Blutentnahme nicht zu!
  • Verweigern Sie die Mitwirkung an Tests zur Feststellung Ihrer Koordinationsfähigkeit! Auch hierzu besteht keine Pflicht.
  • Nehmen Sie den Vorwurf ernst und handeln Sie umgehend

Erfolgreich verteidigen nach Trunkenheitsfahrt – die 10 häufigsten Fragen und Antworten:

1. Alkohol am Steuer - Welche Folgen drohen?

Wer mit dem Vorwurf der Trunkenheit im Straßenverkehr konfrontiert wird, sollte sich zunächst verdeutlichen, wie ernst die Lage ist: Am unteren Ende der Sanktionen stehen Bußgeld und Fahrverbot. Handelt es sich um eine strafbare Trunkenheitsfahrt, dann droht eine empfindliche Geldstrafe und die Entziehung der Fahrerlaubnis. Im schlimmsten Fall landen Beschuldigte sogar bis zu einem Jahr hinter Gittern.

Mit mindestens 500 Euro Geldbuße und einem Monat Fahrverbot muss bereits ab einem Promillewert von 0,5 gerechnet werden! Spätestens ab einem Wert von 1,1 Promille steht eine hohe Geldstrafe und die Entziehung der Fahrerlaubnis im Raum. Für Radfahrer liegt diese Grenze bei 1,6 Promille. Ab 0,3 Promille drohen dieselben Konsequenzen, wenn alkoholtypische Ausfallerscheinungen, beispielsweise Schlangenlinien-Fahren, hinzutreten. Bei Alkoholdelikten droht fast immer die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Expertentipp: Prüfung des Einzelfalls kann sich lohnen

Nicht jede Alkoholfahrt ist rechtlich vergleichbar. Von entscheidender Bedeutung auf der Folgenseite ist die Frage, ob es sich bei dem Verstoß um eine Ordnungswidrigkeit oder um eine Straftat handelt. Bei Alkohol am Steuer wird der Anwalt für Strafrecht mit dem Mandanten regelmäßig folgenden Fragen nachgehen:

  • Steht fest, wer Fahrer war?
  • Liegt Vorsatz vor?
  • Handelt es sich um Ausfallerscheinungen, die auf den Alkoholkonsum zurückzuführen sind?
  • Erfolgte die Rückrechnung korrekt und unter Berücksichtigung der Resorptionszeit?
  • Steht eine Nachtrunkbehauptung im Raum?
  • Ist die Blutentnahme gerichtlich verwertbar?

2. Ordnungswidrigkeit oder strafbare Trunkenheitsfahrt?

Die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ist nicht grundsätzlich verboten. Auch nach dem einen oder anderen Glas Bier oder Wein darf unter Umständen noch gefahren werden. Man sollte sich jedoch nicht auf die subjektive Einschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit verlassen, da diese niemals ein Maßstab sein kann.

Das Resultat ist von diversen Faktoren abhängig, wobei der festgestellte Promillewert natürlich eine entscheidende Rolle spielt. Denn er bildet die Entscheidungsgrundlage, ob das Verfahren von Beginn an als Straftat eingestuft wird oder es sich „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

Es kursieren viele Stammtisch-Weisheiten, welche in der Realität jeweils höchstens mehr oder weniger zutreffend sind. Denn tatsächlich ist keine Alkoholfahrt vergleichbar und ist immer im Lichte der Gesamtumstände zu sehen.

Klare Grenzwerte – eindeutige Folgen

Grundsätzlich folgenlos (einzige Ausnahme: Fahranfänger!) ist Alkoholgenuss, wenn er maximal einen Promillewert von 0,3 zur Folge hat. Ab 0,5 Promille beginnt der Bereich, in welchem zweifelsfrei eine Ordnungswidrigkeit vorliegt. Beginnend bei 1,1 Promille wird in jedem Fall ein Strafverfahren eröffnet – unabhängig von eventuellen Ausfallerscheinungen.

Ab 1,6 Promille ordnet die zuständige Fahrerlaubnisbehörde unabhängig von möglichen Gerichtsverfahren (nicht selten bereits ab 1,1 Promille) eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU/auch bekannt als „Idiotentest) an. Sinn und Zweck dieser Maßnahme ist es, die Eignung zum Führen eines Kfz von behördlicher Seite auf den Prüfstand zu stellen. Nach einer Trunkenheitsfahrt können Zweifel an der Eignung bestehen. Bevor diese nicht beseitigt sind, werden Sie Ihre Fahrerlaubnis nicht wiedererlangen.

Grenzwerte im Graubereich

Abgesehen von den oben genannten eindeutigen Grenzwerten läuft jedoch jeder Fahrer eines Fahrzeugs bereits ab 0,3 Promille Gefahr, sich unter Umständen strafbar zu machen. Strafbar macht man sich ab 1,1 Promille wegen vermuteter absoluter Fahruntüchtigkeit. Bei 0,3 Promille beginnt jedoch schon der Bereich der sog. relativen Fahruntüchtigkeit.

Merke: Relative Fahruntüchtigkeit kann bei entsprechenden Ausfallerscheinungen bereits ab 0,3 Promille vorliegen und zu Strafbarkeit führen! Ab 0,5 Promille liegt immer eine Ordnungswidrigkeit vor, ab 1,1 Promille eine Straftat und ab 1,6 Promille sind Sie in aller Regel gezwungen, sich einer MPU zu unterziehen. Letzteres gilt im Übrigen auch für Fahrradfahrer!

3. Die wichtigsten Promillegrenzen und entscheidenden Werte im Überblick

Was droht bei wie viel Promille?

Grundsätzlich folgenlos. Absolutes Alkoholverbot herrscht allerdings für Fahranfänger, die sich in der Probezeit befinden, sowie für wie junge Fahrer unter 21 Jahren. Ihnen drohen neben einem Bußgeld die Verlängerung der Probezeit um zwei Jahre sowie die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar. Ein absolutes Alkoholverbot gilt zudem für bestimmte Berufsgruppen, wie Bus- oder Taxifahrer.

Bis 0,5 Promille ist das Fahren im Grundsatz erlaubt.

ABER ACHTUNG: Bereits ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,3 Promille (Annahme der relativen Fahruntüchtigkeit) kann eine Straftat im Sinne des § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr – vorliegen, wenn nämlich beim Fahrer Ausfallerscheinungen zum Vorschein gekommen sind, die den Schluss auf alkoholbedingte Fahrunsicherheit zulassen.

Beachte: Auch bei Radfahrern beginnt die relative Fahruntüchtigkeit bei einem Wert von 0,3 Promille. Treten Ausfallerscheinungen wie z.B. Schlangenlinienfahrt hinzu, droht auch dem Fahrradfahrer ein Strafverfahren wegen Trunkenheit im Straßenverkehr.>

Bei Erstverstoß:

  • 2 Punkte im Fahreignungsregister,
  • 500 Euro Geldbuße sowie
  • 1 Monat Fahrverbot

Bei Zweitverstoß (Wiederholungstäter):

  • 2 Punkte im Fahreignungsregister,
  • 000 Euro Geldbuße sowie
  • 3 Monate Fahrverbot;

Bei jedem weiteren Verstoß: 2 Punkte im Fahreignungsregister, 1.500 Euro Geldbuße sowie 3 Monate Fahrverbot.

Aber Vorsicht: Auch im Bereich zwischen 0,5 und 1,09 Promille reichen „alkoholbedingte Ausfallerscheinungen“ für die Annahme einer Strafbarkeit nach § 316 StGB. Kommt es in diesem Promillebereich zusätzlich fast oder tatsächlich zu einem Verkehrsunfall, steht sogar ein Strafverfahren wegen der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) im Raum!

Ab einem Wert 1,1 Promille wird in jedem Fall ein Strafverfahren wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) eröffnet.

Es drohen 3 Punkte im Fahreignungsregister, Geld- oder Freiheitsstrafe sowie „Führerscheinentzug“.

Als weiterer wichtiger Schwellenwert hat sich eine BAK von 1,6 Promille etabliert. Ab diesem Wert wird durch die Fahrerlaubnisbehörde fast ausnahmslos eine „MPU“ (Medizinisch-Psychologische-Untersuchung) angeordnet, welche die persönliche Eignung zum Führen eines KfZ im Straßenverkehr überprüft.

Besonderheit für Radfahrer: Auch sie müssen ab 1,6 Promille ganz sicher mit Post von der Staatsanwaltschaft wegen Trunkenheit im Straßenverkehr rechnen, da ab diesem Wert bei Radfahrern von einer absoluten Fahruntüchtigkeit ausgegangen wird. Zusätzlich folgt grundsätzlich eine Einladung zum „Idiotentest“.

Expertentipp vom Fachanwalt für Strafrecht: Atemalkoholtest ist keine Pflicht!

Der Atem-Alkoholtest ist keine Pflicht und die Polizei darf Fahrer nicht dazu zwingen, ins Röhrchen zu pusten. Für ein Strafverfahren muss nämlich eine Blutalkoholuntersuchung vorgenommen werden – und diese kann die Polizei nicht einfach so verlangen.

Wenn die Beamten meinen, einen Fahrer bei einer Trunkenheitsfahrt erwischt zu haben, müssen sie ihn für einen Bluttest mit zur Wache nehmen. Nach der neuen gesetzlichen Regelung können die Polizeibeamten – unabhängig vom Vorliegen einer Gefahr im Verzug – zwar selbst einen Beschluss zur zwangsweisen Blutentnahme erlassen; sie müssen ihre Entscheidung allerdings gut begründen und rechtfertigen. Ohne Zustimmung müssen die Polizisten nämlich prüfen, ob ein auf bestimmte Tatsachen gestützter Anfangsverdacht einer gesetzeswidrigen Alkohol- oder Drogenfahrt vorliegt und über eine bloße Vermutung hinausgeht (§ 81a Abs. 2 S. 2 StPO).

Wichtig: Allein vom Recht Gebrauch zu machen, die Mitwirkung an einer Atemalkoholkontrolle oder eines Drogentests zu verweigern, begründet keinen Anfangsverdacht.

4. Wann darf das Gericht von einer relativen Fahruntüchtigkeit ausgehen?

Wenn zwei Bier zu einer Anklage wegen Trunkenheit im Verkehr führen.

Richtig ist zwar, dass es ganz entscheidende und klare Promillegrenzen gibt, weniger eindeutig und im Einzelfall nicht selten strittig ist jedoch der Bereich zwischen 0,3 und 1,09 Promille. Grundsätzlich ist dieser Bereich nicht strafbar, da hier von keiner unwiderlegbaren Vermutung einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden darf.

Treten bei einem festgestellten Promillewert von mindestens 0,3 jedoch zusätzliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen hinzu, macht man sich auch bei diesem vermeintlich geringen Wert schon strafbar.

Dies kann bereits der Fall sein, wenn Sie bei einem Spurwechsel nicht geblinkt haben oder Sie sich gegenüber der Polizei durch verwaschene Sprache („Lallen“) auffällig gezeigt haben. „Klassiker“ sind Lallen, Wanken, oder auch mangelnde Koordinations- und verzögerte Reaktionsfähigkeit.

Üblicherweise überprüfen Polizeibeamte mithilfe von einfachen Tests während der Verkehrskontrolle, ob eines oder mehrere solcher Ausfallerscheinungen vorliegen (beide Finger zur Nase führen; auf einer Linie laufen etc.). So kann bereits ein einziges Glas Wein beim Geschäftsessen unter ungünstigen Umständen dazu führen, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Alkohol am Steuer eingeleitet wird.

Aus der Praxis:

Mein Mandant „sollte seinen Kopf in den Nacken legen, die Augen schließen und sich dabei auf ein Bein stellen. Bei dem Test meinten die Polizeibeamten festgestellt zu haben, dass es ihm fast unmöglich gewesen war, sich stabil auf einem Bein zu halten. Er habe mit den Armen balanciert und schwankte mit dem Oberkörper, während er mehrfach seinen Fuß absetzte.“

Nicht zuletzt wegen solcher Tests ist grundsätzlich davon abzuraten, die Polizei bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, indem Sie sich z.B. auf die Feststellung Ihrer Koordinationsfähigkeit einlassen.

Expertentipp vom Strafverteidiger:

Es ist Ihr gutes Recht, sich nicht durch aktives Tun (dazu zählt insbesondere auch das Pusten in ein Messgerät zur Feststellung des Atem-Alkohols) an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen!

Schon allein wegen der Gefahr, selbst bei geringen Trinkmengen einer Straftat beschuldigt zu werden, ist grundsätzlich davon abzuraten, die Polizei bei ihren Ermittlungen gegen die eigene Person zu unterstützen, indem man sich in irgendeiner Form zum Vorwurf äußert und sich ggf. zu aktiven Maßnahmen wie Feststellung ihrer Koordinationsfähigkeit einlässt oder in ein „Alkoholmeter“ pustet. Beides wird von der Polizei immer wieder eingesetzt, um sich Anhaltspunkte zu beschaffen, die weitergehende Ermittlungen gegen Sie einfacher machen.

Machen Sie sich klar, dass Sie sich niemals durch aktives Tun an der Ermittlung gegen Ihre eigene Person beteiligen müssen! Dies kann – trotz anfänglichen Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit – die Einleitung eines Strafverfahrens zu Folge haben.

Lassen Sie ggf. von einem Anwalt für Strafrecht prüfen, ob die getätigten Angaben gegenüber den Polizeibeamten verwertbar sind. Wurden Sie nicht ordnungsgemäß belehrt, unterliegt ihre Aussage einem sog. Beweisverwertungsverbot.

5. Ausfallerscheinungen allein genügen NICHT für eine strafbaren Trunkenheitsfahrt

Wenn die Polizeibeamten eine Ausfallerscheinung festgestellt haben wollen und diese im Bericht vermerkt haben, steht Ihnen die Post von der Staatsanwaltschaft samt Strafverfahren sozusagen sicher ins Haus. Aber selbst an diesem Punkt gibt es durchaus noch Möglichkeiten, ein einem bereits laufenden Strafverfahren eine Einstellung oder „Umwandlung“ in eine Ordnungswidrigkeit zu erreichen. Denn die Ausfallerscheinungen müssen alkoholbedingt sein.

Tipp vom Fachanwalt für Strafrecht:

Verteidigung lohnt sich nahezu immer und zu jedem Zeitpunkt des Strafverfahrens

Ein vielversprechender Verteidigungsansatz besteht in dem Umstand, dass selbstverständlich auch vollkommen nüchterne Verkehrsteilnehmer Fehler begehen. Es kann dementsprechend nicht jeder Fahrfehler oder jede mutmaßliche Auffälligkeit automatisch einem Alkoholkonsum geschuldet sein.

Beispiele aus meiner Berufspraxis zeigen, dass die Situation eben doch nicht immer so klar ist, wie von vornherein angenommen.

Mein Mandant, der in seiner Freizeit gern mit dem Segelboot unterwegs ist, wurde auf dem Müggelsee von der Wasserschutzpolizei dabei beobachtet, wie er mit seinem Boot hin- und herschaukelte. Die Beamten entschlossen sich dazu, meinen Mandanten zu kontrollieren. Ergebnis: 0,9 Promille, ein Vermerk, dass mein Mandant Ausfallerscheinungen gezeigt habe, und die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Trunkenheit im Schifffahrtsverkehr.

Tatsächlich hatte mein Mandant jedoch durch sog. „Wriggen“ mit der Schiffspinne sowie durch „Aufschaukeln“ versucht, sein Gefährt wieder in fahrbare Regionen zu bringen, da er sich im windstillen Bereich befand.

Dies mag aus Sicht eines Laien ungewöhnlich anmuten und auf den Verdacht eines typischen Alkoholfehlers schließen. Tatsächlich handelt es sich hierbei jedoch um eine von mehreren möglichen und typischen Fortbewegungsmethoden bei einer sog. Flaute.

Ob das sog. „Wriggen“ und Aufschaukeln im konkreten Fall geeignet waren, das Schiff fortzubewegen, ist irrelevant. Denn selbst wenn man im konkreten Fall einen „Fahrfehler“ unterstellt und die Handlungen als untauglich für die Fortbewegung ansehen wollte, führt dies nicht automatisch zu der Annahme einer alkoholbedingten Ausfallerscheinung. Erforderlich sind vielmehr, „[…] die sich unmittelbar auf eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit beziehen, z.B. schwerwiegende Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit, mangelnde Ansprechbarkeit, Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung oder extrem verlangsamte Reaktion.“ (vgl. BGH NJW 1999, 226; DAR 2008, 390).

Das Gericht muss bei einem Fahrverhalten, was in gleicher Weise auch bei nüchternen Fahrern vorkommen kann, besonders gründlich prüfen, ob im konkreten Fall tatsächlich eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung vorliegt.

Im Falle meines Mandanten auf dem Segelboot hätte der Beschuldigte auch ohne Alkohol die Versuche des „Wriggens“ und „Aufschaukelns“ für die Fortbewegung eingesetzt. Dies schließt die Annahme eines alkoholbedingten Fahrfehlers aus.

Entscheidend ist also die Überzeugung des Tatrichters. Mein Mandant hätte sich im nüchternen Zustand jedenfalls nicht anders verhalten, als er es tatsächlich getan hat. Der Strafvorwurf gegen meinen Mandanten wurde fallengelassen!

Nachfolgende Ausfallerscheinungen sind in dieser Form grundsätzlich nicht ohne Weiteres ausreichend:

  • Schlangenlinienfahren in Form pendelförmiger Fahrbewegungen bis auf den Seitenstreifen und bis zum Mittelstreifen einer Autobahn bei 0,91 ‰ bei leichtem Wagen und heftigem Wind (so: OLG Hamm NZV 94, 117)
  • ungewöhnlich langsames und vorsichtiges Fahren
  • reaktionsloses Verhalten nach Aufleuchten der Ampel auf Grün
  • Überschreitung der innerorts vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit
  • Ausweichmanöver oder die falsche Einschätzung einer Verkehrssituation
  • Missachtung eines polizeilichen Haltegebotes und Ergreifen der Flucht
  • Verursachung eines Verkehrsunfalls nach Flucht vor der Polizei (so: BGH NZV 95, 80 = StV 94, 543 = VM 95, 8)

Beachte: Je näher die gemessene Blutalkoholkonzentration (BAK) an 1,1 Promille gerät, umso weniger ausgeprägt müssen alkoholtypische Ausfallerscheinungen sein, um auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen zu dürfen.

6. Rückrechnung des Promillewerts

Wenn eine Strafe wegen Alkoholkonsums im Straßenverkehr im Raum steht, ist es die Aufgabe der Ermittlungsbehörde, dem Beschuldigten den möglichst genauen Promillewert während der Tatzeit nachzuweisen. Schließlich ist die Grundlage des Vorwurfs die Alkoholisierung zu diesem Zeitpunkt.

Nicht selten vergeht zwischen Verkehrskontrolle und Blutentnahme viel Zeit. Eine Blutentnahme, die drei Stunden nach der Verkehrskontrolle stattfindet, kann auch bei genauesten Laborergebnissen nicht den Promillewert wiedergeben, wie er tatsächlich zum Tatzeitpunkt der Verkehrskontrolle gegeben war, da der menschliche Organismus während dieser Zeitspanne bereits Alkohol abgebaut hat. Die Rate des Abbaus an Alkohol im Blut während einer Zeitstunde beträgt, je nach körperlichen Voraussetzungen wie Gewicht, Alter, Geschlecht sowie auch Trinkgewohnheiten im Bevölkerungsmittel nach allgemeiner Auffassung einen Wert zwischen 0,1 und 0,2 Promille in der Stunde. In Strafverfahren wegen des Vorwurfs einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) hat sich etabliert, dass zu Gunsten des Beschuldigten von der geringstmöglichen Abbaurate von 0,1 Promille Abbau an Alkohol pro Zeitstunde ausgegangen wird.

7. Resorptionszeit und das Verbot der Rückrechnung

Eine Rückrechnung des Promillewertes darf nur in dem Zeitraum erfolgen, wo sich der Beschuldigte in der Abbauphase befindet, da es anderenfalls zu FALSCHEN Ergebnissen kommen kann.

Nach dem Konsum von Alkohol steigt die Blutalkoholkonzentration im Körper an. Während dieser Zeit befindet sich der Organismus noch in der sog. Resorptionsphase, da der Alkohol erst über die Schleimhäute ins Blut aufgenommen wird. Anschließend wird der Alkohol im Körper abgebaut.

Beginn, Ende und Dauer des Rückrechnungsverbots

Die Resorptionsphase, also die Zeit, in der keine Rückrechnung erfolgen darf, dauert je nach Trinkmenge und Art der alkoholischen Getränke zwischen 30 Minuten und 2 Stunden. Im Strafrecht wird beim Vorwurf von Trunkenheitsdelikten zugunsten des Beschuldigten immer eine Zeit von 2 Stunden angenommen.

Die zweistündige Resorptionszeit beginnt mit dem Trinkende, also dem Zeitpunkt, zu dem der Beschuldigte den letzten Schluck Alkohol zu sich genommen hat.

Sofern den Ermittlungsbehörden keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, muss zugunsten des Beschuldigten davon ausgegangen werden, dass das Trinkende unmittelbar vor der Polizeikontrolle stattgefunden hat. Aussagen zum Trinkende können hier nur nachteilig sein. Es gilt daher auch hier: „Schweigen ist Gold!“

Expertentipp: Machen Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch! Angaben zum Trinkende bieten den Behörden die Möglichkeit zur besseren Rückrechnung. Sie sollten ebenfalls auf Koordinationstests u. ä. verzichten. Diese „Tests“ haben lediglich den Zweck, Ihnen Ausfallerscheinungen anzulasten (siehe oben).

8. Die Beweisproblematik bei der sog. Nachtrunkbehauptung

„Nachtrunk“ bezeichnet den Umstand, dass der Fahrzeugführer erst nach dem Tatzeitpunkt, also nach der Fahrt mit dem Fahrzeug, Alkohol konsumiert hat, etwa nach einem Verkehrsunfall.

Eine solche Behauptung stellt die Ermittlungsbehörden nicht selten vor erhebliche Probleme. Schließlich hätte die Feststellung einer Alkoholisierung in diesem Fall keine Aussagekraft zur tatsächlichen Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt. Eine Rückrechnung in gewohnter Art und Weise (siehe oben) ist nicht möglich.

Wenn die Nachtrunkbehauptung nicht widerlegt werden kann, darf die nach dem Tatzeitpunkt aufgenommene Alkoholmenge strafrechtlich nicht berücksichtigt werden. Dies kann im Einzelfall sogar dazu führen, dass dem Beschuldigten überhaupt keine Trunkenheitsfahrt nachgewiesen werden kann.

Einer bloßen Schutzbehauptung kommen die Ermittlungsbehörden im Zweifel mittels einer „Begleitstoffanalyse“ auf die Spur. Dazu ist allerdings eine möglichst genaue Kenntnis der angeblich nach der Fahrt konsumierten Getränke notwendig. Bei dieser sog. Begleitstoffanalyse wird dann überprüft, ob sich die Begleitstoffe der angeblich konsumierten Alkoholvarianten wie Bier, Wein, Spirituosen im Blut nachweisen lassen. Damit wird auch die Plausibilität der Nachtrunkbehauptung überprüft.

Zwei Fallklassiker des Nachtrunks:

Wenn zwischen Tatzeitpunkt und Eintreffen der Beamten bzw. Alkoholkontrolle nur ein relativ kurzer Zeitraum vergangen ist und der angetroffene Fahrzeugführer behauptet, unmittelbar nach dem Verkehrsunfall, etwa innerhalb einer halben Stunde, im Sturztrunk Alkohol konsumiert zu haben, behelfen sich die Beamten häufig folgender Methode: So zügig wie möglich finden zwei aufeinanderfolgende Blutentnahmen statt. Wenn die Behauptung stimmt, kann man davon ausgehen, dass der zweite gemessene Wert höher ist als bei der ersten Messung, da der Alkoholwert während der Resorptionsphase (Aufnahme des Alkohols im Körper) ansteigt. Sollten konkrete Angaben zur Trinkmenge und/oder zur Art des alkoholischen Getränks gemacht worden sein, kann diese Methode eine Nachtrunkbehauptung unter Umständen sogar entkräften.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen zwischen vermeintlicher Trunkenheitsfahrt und der Alkoholkontrolle noch weitaus mehr Zeit verstrichen ist. Manchmal wird der Tatverdächtige erst am nächsten Morgen nach einem Verkehrsunfall am zurückliegenden Abend angetroffen.

In diesen Fällen ist die Nachtrunkbehauptung selbst mit mehreren Blutentnahmen häufig nicht mehr zu entkräften. So auch ein Fall vor dem AG Zossen, das zugunsten meiner Mandantin feststellte:

Eine Alkoholisierung im Zeitpunkt des Führens des LKW ist nicht beweisbar. Die Blutentnahme erfolgte vier Stunden nach dem Fahrtende. Auch wenn sich die Angeklagte nach der ersten Blutentnahme im Stadium des Alkoholabbaus befand, ist der behauptete Nachtrunk nicht auszuschließen. Die Angeklagte hätte von 19:30 Uhr bis 23:00 Uhr Alkohol konsumieren können, ohne dass andere BAK-Testergebnisse zu erwarten gewesen wären.“

Fazit:

So oder so, eine Nachtrunkbehauptung ist je nach verstrichener Zeit schwer zu entkräften. Je mehr Zeit zwischen Tat, Nachtrunk und Kontrolle vergangen ist, umso schwerer wird es für die Ermittlungsbehörde.

Tipp vom Strafverteidiger:

Wenn ein stattgefundener Nachtrunk in Ihrem Verfahren noch gar nicht zur Sprache gekommen ist, sollten Sie Ihren Anwalt darauf ansprechen! Ihnen darf Ihr bisheriges Schweigen nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Daher ist es unschädlich, wenn Sie sich – im Idealfall über Ihren Rechtsanwalt – im Nachhinein zum Nachtrunk äußern.

9. Alkohol am Steuer – Fahrlässigkeit oder Vorsatz

Bei Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen Trunkenheitsfahrt ist nicht nur die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis länger als bei einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt. Darüber hinaus verliert der Beschuldigte in der Regel den Deckungsschutz der Rechtsschutzversicherung (§ 4 Abs. 3b S. 1 ARB). Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb bei Trunkenheitsdelikten häufig und verbissen um den subjektiven Tatbestand gestritten wird.

Ein wichtiges Indiz, zumindest für bedingten Vorsatz, ist die Höhe der festgestellten Blutalkoholkonzentration (BAK). Als alleiniges Indiz reicht sie aber nicht aus.

Tipp vom Strafverteidiger:

Auch hier gilt: Alle Angaben, wie es zu der Trunkenheitsfahrt kommen konnte, erhöhen das Risiko, dass eine vorsätzliche Tatbegehung unterstellt wird. Das wiederum erhöht das Risiko einer verschärften Strafe, einer längeren Sperrfrist und des Verlustes des Kostendeckungsschutzes der Rechtsschutzversicherung.

10. Entziehung der Fahrerlaubnis, MPU und die sog. Sperrfristverkürzung

Eine Trunkenheitsfahrt führt in der Regel dazu, dass der Täter als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Gemäß §§ 69, 69a StGB führt dies dazu, dass neben der Strafe wegen Trunkenheit im Verkehr als Nebenfolge die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festsetzung einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis hinzukommt.

Trotzdem gibt es noch Hoffnung, auch wenn der Führerschein von der Polizei weggenommen wurde, dass das Gericht die Fahrerlaubnis nicht entzieht. 

Setzt sich der Beschuldigte bzw. der Angeklagte bereits während des Verfahrens mit seinen persönlichen Defiziten, die zu der Alkoholfahrt geführt haben, auseinander oder löst diese Defizite ggf. vollständig auf, widerlegt dies die Vermutung der Ungeeignetheit oder schränkt die Indizwirkung zumindest ein.

Die fachkundige Anleitung eines Verkehrstherapeuten kann einen derartigen Verteidigungsansatz unterstützen. Durch eine Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Intervention, bestehend aus Einzelgesprächen, kann in den meisten Fällen jedenfalls eine deutliche Verkürzung der Sperrfrist erreicht werden. Fragen Sie Ihren Anwalt. Er kann Sie hinsichtlich anerkannter und bewährter Verkehrstherapeuten beraten. Zudem kann sich Ihr Verteidiger in vielen Fällen mit der Staatsanwaltschaft darauf verständigen, dass der Erlass eines Strafbefehls beantragt und damit bestenfalls eine öffentliche Hauptverhandlung verhindert wird.

Überlassen Sie nichts dem Zufall!

Im Falle des Vorwurfs der Trunkenheitsfahrt lohnt es sich zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens, einen spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Nur über einen Rechtsanwalt erhalten Sie eine qualifizierte Auswertung der Ermittlungsakte. Aber auch im späteren Verlauf eines Verfahrens kann ein Rechtsanwalt noch angreifbare Punkte aufdecken. Im Idealfall wird aus einer sicher geglaubten Verurteilung sogar noch ein Freispruch oder es erfolgt statt einer Verurteilung nach § 316 StGB nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit. Aber selbst bei einem begründeten Tatverdacht wird ein erfahrener Strafverteidiger dafür kämpfen, die negativen Auswirkungen des Verfahrens, etwa den Verlust der Fahrerlaubnis, deutlich zu minimieren.

Zu guter Letzt der beste Ratschlag überhaupt: Am besten gar keinen Alkohol am Steuer!

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