Fahrerflucht | Unfallflucht- Ansatzpunkte für eine Verteidigung

Fahrerflucht bzw. Unfallflucht: Der Individualverkehr boomt und wir sind heute mobiler denn je. Ein Auto, Motorrad oder E-Bike/Fahrrad ist für nahezu jeden in seinem Rahmen erschwinglich und bedeutet ein Stück weit persönliche Freiheit. Mit der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr nehmen wir aber auch ständig Risiken in Kauf. Das Risiko, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden – ob als Verursacher oder Beteiligter – ist allgegenwärtig. Finanzielle und juristische Konsequenzen können erheblich sein. Immer noch unterschätzt werden vermeintliche Bagatelldelikte.

Fahrerflucht

Fahrerflucht bzw. Unfallflucht - ein vermeintliches Bagatelldelikt

Es gibt wohl kaum einen Verkehrsteilnehmer, dem ein vergleichbares Szenario noch nicht passiert ist: Auf dem Arbeitsweg mit dem Auto wurde ein fremder Seitenspiegel touchiert, beim Ein- oder Ausparken ein kleiner Kratzer in ein anderes Fahrzeug gefahren oder das Fahrrad ist beim Abschließen versehentlich umgekippt.

Diese alltäglichen Fälle zählen auf der Folgenseite dabei noch zu den eher harmlosen. Auch schwere Unfälle mit erheblichen Sach- und Personenschäden ereignen sich täglich auf unseren Straßen.

In jedem Fall gilt jedoch: Wer sich in einer solchen Situation vom Ort des Geschehens entfernt, riskiert die Begehung einer Straftat – des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 des Strafgesetzbuches (die sog. „Unfallflucht“ oder auch „Fahrerflucht“). Beachten Sie dabei auch, dass es nach ständiger Rechtsprechung nicht genügt, einen Zettel mit Ihren Kontaktdaten hinter die Windschutzscheibe des beschädigten Kfz zu klemmen.

Schwere des Unfalls für Strafbarkeit unerheblich

Für eine mögliche Strafbarkeit wegen „Unfallflucht“ ist der verursachte Schaden vom Grundsatz her zunächst unerheblich. „Nur“ den Seitenspiegel eines parkenden PKWs zu beschädigen und weiter zu fahren, ist nicht weniger strafbar als die komplette Fahrertür abzufahren. Alle diese Situationen haben gemeinsam, dass sie einen Unfall im Sinne des § 142 StGB darstellen. Heißt im Klartext: Sie sind grundsätzlich verpflichtet, an Ort und Stelle des Unfalls anzuhalten, die Feststellung Ihrer Person, zu Ihrem Fahrzeug sowie der Art der Beteiligung zu ermöglichen. Diese Pflichten bestehen beispielsweise auch bei einem kleinen Zusammenstoß Ihres Einkaufswagens und eines parkenden Autos auf dem Parkplatz des nahegelegenen Supermarktes!

Nur ein völlig belangloser Schaden kann den Tatbestand im Einzelfall ausnahmsweise ausschließen. Unfälle, bei denen die Schadenshöhe im Bereich weniger Euro liegt, gehören in der Praxis aber zu den absoluten Raritäten. Bekanntlich genügt häufig bereits ein kleiner Kratzer an der Seitentür, um Reparaturkosten im dreistellen Eurobereich auszulösen. Allerdings lohnt sich auch hier die kritische Prüfung der Reparaturkostenrechnung durch einen Rechtsanwalt, der im Straf- und Verkehrsrecht tätig ist.

Unverhofft kommt oft

Nicht selten beobachtet ein anderer Verkehrsteilnehmer oder ein außenstehender Passant eher zufällig ein derartiges Geschehen – so geringfügig die Tragweite des Schadens auch sein mag – und meldet dies der Polizei. Im Handumdrehen sind Sie als Fahrer eines Kfz (auch als Fahrradfahrer oder Fußgänger) unverhofft Beschuldigter eines Strafverfahrens, an dessen Ende eine empfindliche Geldstrafe, die Entziehung der Fahrerlaubnis oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren stehen kann. Zudem drohen Punkte in Flensburg und der Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers (also quasi Rückzahlung des geleisteten Schadensersatzes).

Auch ein vermeintlicher Zeuge kann unversehens zum Beschuldigten werden, wenn sich herausstellt, dass er nicht nur reiner Beobachter, sondern in irgendeiner Art und Weise Beteiligter am Unfall war, z. B. weil durch sein Verhalten zwei andere Fahrzeuge kollidierten. Die Unwissenheit des „Zeugen“ über seine Aufklärungspflicht gegenüber den Geschädigten schützt grundsätzlich nicht vor Strafe, wenn ihm die tatsächlichen Umstände bekannt waren.

Fahrerflucht bzw. Unfallflucht - Nicht immer ist der Vorwurf zutreffend!

Falls Sie diesen Artikel gerade lesen, weil Sie Post von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft im Briefkasten haben, bleiben Sie besonnen. Ihnen muss zunächst eine Reihe an Umständen nachgewiesen werden, um Sie strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Der nachfolgende Überblick über die Möglichkeiten einer Verteidigung gegen den Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keine Rechtsberatung. Im Einzelfall ist dringend anzuraten, rechtlichen Rat einholen. Strittige Punkte sind insbesondere folgende Fragen:

  • Wie hoch ist der Fremdschaden tatsächlich?
  • Steht überhaupt fest, wer Fahrer war?
  • Handelt es sich tatsächlich um einen Unfall?
  • Hat sich der Unfall auch im Straßenverkehr ereignet?
  • Haben Sie vorsätzlich gehandelt?

Ersteres entscheidet regelmäßig über eine mögliche Entziehung der Fahrerlaubnis. So droht dem Beschuldigten der „Führerscheinentzug“, wenn es sich um einen „bedeutenden Schaden” im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB handelt. Diese Frage wird von den Gerichten uneinheitlich beantwortet und hängt vom jeweiligen Gerichtsbezirk ab. Im Bereich von 1.300,00 € und 1.700,00 € muss der Beschuldigte allerdings damit rechnen, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wird. Häufig wird dies nach § 111a StPO sogar vorläufig angeordnet. Derartige Entscheidungen sind nicht selten fehlerhaft, weil etwa der wirtschaftliche Schaden niedriger ist als zunächst angenommen oder es für den Beschuldigten nicht erkennbar war, dass es sich um einen hohen, bedeutenden Fremdschaden handelte. Hier geht es darum, Sie in wichtigen Detailfragen bestmöglich aufzustellen.

Letzteres, also die Frage des Vorsatzes, ist für die Strafbarkeit essentiell und beim Straftatbestand der „Unfallflucht“ nicht immer leicht zu beantworten. Sie müssen nämlich mindestens erkannt oder damit gerechnet haben, einen Gegenstand beschädigt oder eine Person verletzt zu haben. Im Alltag wird es jedoch nicht selten der Fall sein, dass kleinere Schäden verursacht werden, ohne dass vom Verursacher überhaupt Kenntnis davon genommen wird. Die Gründe sind denkbar vielfältig.

Um beim Beispiel der Wahrnehmbarkeit zu bleiben, muss dem Beschuldigten (nicht eines außenstehenden Beobachters) die tatsächliche Wahrnehmung des Unfalls in akustischer, visueller oder physischer Hinsicht nachgewiesen werden. Hierbei spielen Umstände wie Motorgeräusche oder laute Musik eine ebenso entscheidende Rolle wie die eigene Konzentration auf den Straßenverkehr oder die (unterbewusste) Fehlinterpretation eines Unfallgeräusches – z. B. bei Baustellenlärm.

Verkennt eine Person nämlich „nur“ fahrlässig die Umstände eines Unfalls, so handelt sie eben nicht vorsätzlich und damit straflos. Der Vorwurf des „hätte erkennen können/ müssen“ genügt gerade nicht für die Begehung einer „Unfallflucht“.

Zur Klärung solcher und vieler weiterer potentiell strittiger Punkte bedarf es einer umfassenden Prüfung. Nur ein Rechtsanwalt kann nach vollständiger Akteneinsicht beurteilen, wie man mit den Vorwürfen umzugehen hat. Insbesondere empfiehlt es sich, so früh wie möglich einen Strafverteidiger mit verkehrsrechtlichen Kenntnissen einzuschalten. Dieser hat nicht nur den Ausgang des Strafverfahrens, sondern auch die versicherungsrechtlichen Folgen im Blick. Nicht selten klopft einige Wochen nach Beendigung des Strafverfahrens der eigene Kfz-Haftpflichtversicherer an Ihrer Tür und teilt Ihnen mit, Sie auf bis zu 5.000 Euro Schadensbetrag in Regress nehmen zu wollen. Gegen derartige Regressforderungen kann und sollte sich der Versicherungsnehmer jedoch zur Wehr setzen. Denn gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

„ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.“.

Hieraus folgt der sog. Kausalitätsgegenbeweis, wonach der Versicherungsnehmer von der Leistung befreit ist, wenn es ihm gelingt, nachzuweisen, dass sich das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nicht auf die Einstandspflicht des Versicherers ausgewirkt hat. Aufgrund der hohen Anforderungen an den Kausalitätsbeweis empfiehlt es sich, die Argumente durch einen erfahrenen Anwalt vortragen zu lassen.

Schweigen ist Gold

Zu einem Ihnen gegenüber erhobenen Tatvorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist es von unermesslich hoher Bedeutung, gegenüber der Polizei oder sonstigen Zeugen (zunächst) keine Aussagen zu treffen! Sie laufen als Beschuldiger ansonsten Gefahr, Informationen preiszugeben, die Sie später eventuell noch teuer zu stehen kommen werden.

Stellen Sie sich vor, die Beweislage bei Polizei und Staatsanwaltschaft ist nicht besonders gut und allein durch Ihre freiwillige und nicht notwendige Aussage wird Ihnen schlussendlich eine strafbare Handlung vorgeworfen. Polizisten und Staatsanwälte sind geschult und routiniert darin, Ihnen scheinbar beiläufig entsprechende Informationen zu entlocken.

Verinnerlichen Sie sich vor diesem Hintergrund auch die Tatsache, dass das konsequente Schweigen im Strafverfahren dem Beschuldigten nicht negativ ausgelegt werden darf.

„Schweigen wird oft falsch interpretiert, aber nie falsch zitiert.“ (Fulton Sheen)

Das Dilemma mit der eigenen Versicherung

Selbst Angaben gegenüber dem eigenen oder gegnerischen Versicherer sollten wohlüberlegt und vorher mit einem Rechtsanwalt besprochen worden sein. Die Frage des „richtigen Verhaltens“ ist zumindest im Hinblick auf den eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer allerdings auch nicht einfach und eindeutig. Das Schweigen birgt nämlich die Gefahr einer Obliegenheitsverletzung. Kommen Sie Ihren Pflichten dagegen vollumfänglich nach, würden Sie sich möglicherweise selbst belasten. Die Ermittlungsbehörden könnten die Unterlagen Ihres Versicherers relativ unproblematisch beschlagnahmen und über diesen zulässigen „Umweg“ eine „Aussage“ von Ihnen erhalten. Ein scheinbar nebensächliches Telefonat ist schnell mitgeschrieben und landet als Notiz auf dem Schreibtisch des ermittelnden Staatsanwalts. Der Konflikt mit dem eigenen Kfz-Haftpflichtversicherer lässt sich zwar kaum vollständig auflösen; gleichwohl hat sich folgende Formulierung, die zuvor jedoch mit einem Rechtsanwalt besprochen werden sollte, gegenüber den Versicherungsgesellschaften bewehrt:

„Der/Die Fahrer/in war zur Benutzung des Kfz berechtigt und war im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Weitere Angaben erfolgen erst später nach Abschluss des gegen mich laufenden Strafverfahrens.“

Wenn Sie sich dennoch unsicher oder der Meinung sind, dass gewisse Informationen möglicherweise erwähnt werden sollten, fragen Sie bei Ihrem Anwalt nach, ob es taktisch sinnvoll ist, diese oder jene Information weiterzugeben.

Engagierte Verteidigung

Aber selbst, wenn Sie bereits Aussagen getroffen haben oder das Verfahren weiter fortgeschritten ist, lohnt sich häufig der Gang zu einem Strafverteidiger. Nur über einen Anwalt erlangen Sie Einsicht in die Ermittlungsakten. Zudem garantiert ein erfahrender Strafverteidiger durch die Prüfung des Einzelfalls sowie einer Gesamtbetrachtung aller (auch persönlicher) Umstände, dass die Rechte des Beschuldigten bestmöglich gewahrt werden. Oberstes Ziel Ihres Verteidigers ist regelmäßig eine Einstellung des Verfahrens. Selbst bei einem begründeten Tatverdacht wird Ihr Rechtsanwalt dafür kämpfen, die negativen Auswirkungen des Verfahrens, etwa den Verlust der Fahrerlaubnis, deutlich zu minimieren.

Wenn Sie rechtsschutzversichert sind (für Verkehrsrecht), erhalten Sie in der Regel Kostendeckungsschutz sowohl für das Straf-/Bußgeldverfahren als auch für das zivilrechtliche Verfahren zur Abwehr der Regressansprüche des eigenen Kfz-Haftpflichtversicherers.

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Rechtsanwalt André Rösler

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